Wilmersdorfer Osterschlacht

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Einfach mal wild drauf loskicken – das machen wir nur noch viel zu selten. Dabei kann es himmlisch Spaß machen, vor allem zu Ostern!

von Björn Leffler

Es begann völlig harmlos. Das Osterfest verbrachte ich bei meinen Eltern in Wilmersdorf, und um uns die Beine zu vertreten, machten wir uns nach verspeistem Osterrind auf den Weg zum nahe gelegenen Spielplatz am Hohenzollerndamm.

Auf dem dazugehörigen Bolzplatz kickten einige Achtjährige lustlos herum. Mein Vater (63), mein Schwager (39), mein Neffe (8) und ich (34) gesellten uns dazu, und plötzlich schossen aus allen Ecken des Spielplatzes noch weitere Kicker aller Altersklassen, die die plötzlich einsetzende Sonneneinstrahlung offenbar genauso fußballhungrig nutzen wollten wie wir.

Es sollten nur fünf Minuten lockeres Knödeln werden. Im Nu hatten sich aus uns und dem Rest der Wilmersdorfer Fußballgesellschaft zwei Fünfer-Teams gebildet, und von jetzt auf gleich wurde Fußball gespielt als gäbe es kein Morgen mehr. In einem Wettstreit, der Kicker im Alter von 6 bis 63 auf dem engen Tartanplatz vereinte, wurde gegrätscht, geköpft, gedroschen und geschwitzt als wären wir im Halbfinale einer Fußball-Europameisterschaft. Mindestens. Meine Anzughose, die Lederschuhe mit Budapester Muster, das neue Hemd – scheiß drauf! Es ging hier um die fußballerische Ehre, verflucht!

Es war herrlich. Es war wild. Es war leidenschaftlich. Es war spontan. Es war unerwartet. Es war die ganze Schönheit, Rauheit und Unberechenbarkeit des Fußballs. Es war nicht theatralisch. Es war fair. Es war schnell. Es war fröhlich. Es war chaotisch. Es war unkoordiniert. Es war, alles in allem, ein großer Spaß. Wir schrien uns die Seele aus dem Leib, bei jeder vergebenen Chance hallte ein Raunen hinaus in die engen Häusergassen der feinen Wilmersdorfer Gesellschaft. Katzenartige Paraden der Torhüter, artistische Torabschlüsse und Klärungsversuche, die mit der Bezeichnung „rustikal“ noch schmeichelhaft umschrieben wären.

Es war all das, was der professionelle Fußball nur noch viel zu selten ist. Wie schön, dass wir es erleben durften, an einem vermeintlich langweiligen Ostermontag. Achso, der Vollständigkeit halber: unser hitziges, rund 30-minütiges Gefecht sah drei Pfosten- und einen Lattentreffer, zahlreiche vergebene Möglichkeiten und am Ende ein verdientes 1:1. Schiedlich und friedlich trennte sich die Wilmersdorfer Knödelbande dann wieder genauso schnell, wie sie sich zusammengefunden hatte. Jeder hatte einfach seine kurze, heftige Dosis Fußball gebraucht, bis es weiter gehen sollte im österlichen Schlemmer-Marathon.

Hach, schön war’s!

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