11mm – God save TeBe

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Die Dokumentation der Filmemacher Christian Heine und Johannes Blankenstein folgte der Motivation Tennis Borussia Berlin die gebührende Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen, ohne diesen dabei – in Abgrenzung zu anderen Vereinsporträts – zu sehr glorifizieren zu wollen. In dieser Hinsicht mussten die Regisseure eingestehen, dass dies in charmanter Weise misslungen ist.

TeBe

Es gibt vorrangig zwei Beweggründe sich als aktiver Spieler dem Berliner Traditionsverein Tennis Borussia Berlin anzuschließen. Zum einen wäre da die aus der relativ erfolgreichen Vergangenheit hervorgegangen professionellen Strukturen des Vereins und zum anderen das weltoffene, integrative und politisch engagierte Image der Vereins- und Fankultur. Als Fußballfan erscheint insbesondere der zweite Aspekt zentral für die Anhängerschaft. Stets kommt in der Dokumentation der politische Aspekt zu Wort, wenn über die Motivation für den Zeitvertreib im und im Umfeld des Mommsenstadions gesprochen wird. Der Film widmet sich eingehend über intensive Wortbeiträge derer, die den Verein tragen, den Fundamenten der Vereinskultur.

„Ein Fan sucht sich nicht den Verein aus, sondern der Verein sucht sich den Fan aus.“

Die Mitglieder, Spieler und Fans, die im Rahmen der Dokumentation interviewt werden, betonen stets, dass sie sich bei anderen Vereinen auf den Tribünen aufgrund des unterschwelligen oder teils offenen rechtsradikalen Potentials niemals wohlfühlen konnten. Es mache natürlich keinen Spaß sich über ein Tor seiner Mannschaft zu freuen, wenn neben einem ein Nazi das gleiche tue. Diesbezüglich trifft die Dokumentation des wunden Punkt der großen Fußballkultur, in der sich auch Menschen tummeln, die über den Erfolg der eigenen Mannschaft Hierarchisierungen und letztendlich Diffamierungen entwickeln. Sowohl Tennis Borussia als auch die Fanszene verstehen sich als Refugium einer links-alternativen Szene, die Fußball verfolgen möchte, ohne gleich neben dem nächsten Deppen stehen zu müssen. Gemeinsame Grundlage der Fangemeinschaft ist die Vereinskultur der „erweiterten Selbstverständlichkeit“. Jedwede Form von Rassismus und Homophobie hat im Mommsenstadion keinen Platz und führt im Zweifelsfall entsprechend auch zum Verweis aus dem Stadion. Diese Konsequenz betrachten die Vereinsanhänger nicht zuletzt als gesellschaftliche Aufgabe. Über die Heimspielstätte hinaus versucht die Fan-Gemeinschaft durch ironisch-provokante Aktionen auf die Missstände in der Fußballszene hinzuweisen. So wurde beispielsweise in der Saison 1999/2000 die Auswärtsfahrt zu Energie Cottbus aufgrund der dortigen homophoben Szene zur kollektiven Fummelfahrt auserkoren, bei der sich Fans von TeBe als „Tunten“ verkleideten. Es gilt den Fußball als das zu inszenieren, was er ist: eine Sportart, die verschiedene Kulturen vereint und zum Austausch anregt.

Bedenklich erscheint, dass erst durch den sportlichen Misserfolg der Tennis Borussia dem Verein der Freiraum zur Entfaltung einer gesellschaftlich integrativen Kraft gegeben wurde. So sehen viele Fans den eventuellen Aufstieg in die Regionalliga als Maximum, um die Vereinskultur aufgrund der Mechanismen des Fußballgeschäfts nicht zu gefährden.So wird im Rahmen der Doku auch gerne auf den FC St. Pauli verwiesen, der ideologisch auf einer Schiene mit TeBe sich mit den Herausforderungen der Marketingmaschinerie Bundesliga konfrontiert sieht und darüber hinaus auch Menschen anzieht, die den politischen Kern der Vereinskultur lediglich als Image verstehen.

Die Arbeit der Tennis Borussia kommt der einer integrativen Stadtteilinitiative sehr nahe. Die Dokumentation ist eigentlich recht schlicht gehalten. Im Fokus stehen die Aktiven des Vereins und deren Sichtweisen. Hier lassen Heine und Blankenstein den Spielern, Ehrenamtlichen und Fans sehr viel Zeit und Raum, wodurch der Reportage Tiefe verliehen wird. Die Dokumentation wirft Fragen auf. Welche Art von Fußball stellen wir uns vor? Welche gesellschaftliche Funktion wohnt dem ganzen inne? Inwiefern kann der Fußball als Teil der politischen Meinungsbildung wirken, aber auch mißbraucht werden? Die Oase TeBe wirft letztendlich im Umkehrschluss aufgrund der steten Anfeindungen ein erschreckendes Bild auf die vorhandene rechtsradikale Gesinnung in Teilen der deutschen Fanszene. Die sportlichen Erfolge von TeBe liegen weit zurück, die sozialen sind hoffentlich alsbald mehrheitlich spürbar.

Axel Diehlmann

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