Baut das Olympiastadion um – und kein neues Stadion!

Avatar von Björn Leffler

oly

Ein Plädoyer für eine Überbauung der Laufbahn im Berliner Olympiastadion

von Björn Leffler

Die Diskussion ist nun also angestoßen, nahezu alle Berliner Medien berichteten heute unisono über die möglichen Pläne des Vereins Hertha BSC, sich ein neues, eigenes Fußballstadion zu bauen. Nach den durchwachsenen Zuschauerzahlen im Olympiastadion in der laufenden Saison, trotz großartiger Leistungen der Heimmannschaft Hertha BSC, war eine breite, öffentliche Diskussion quasi überfällig.

Nun gibt es diese Diskussion, und für die Stadt Berlin und die Betreibergesellschaft Olympiastadion GmbH stellt sich eine gefährliche Diskussion dar. Bei der Entscheidung zur Modernisierung des Olympiastadions – und gegen einen Neubau – im Sommer 1999 bestanden die Damen und Herren vom Denkmalschutz darauf, dass die Laufbahn als fester Bestandteil einer neuen Arena erhalten bleiben müsse.

Es war eine Entscheidung, die für den Hauptmieter Hertha BSC oft zur Hypothek geworden ist, denn insbesondere bei schwächer besuchten Spielen wirkt sie als stimmungshemmendes Element. Schon damals aber gab es Vorschläge, beim Umbau des Olympiastadions auf die Laufbahn ganz oder teilweise zu verzichten. Ein als zu teuer verworfenes Modell sah beispielsweise die Verwendung mobiler Tribünen vor, wie es sie auch im Pariser Stade de France gibt.

Das Olympiastadion im Umbau, 2003

Das Stade de France bei Paris – Die mobilen Unterrang-Tribünen können bis an das Spielfeld herangefahren werden

Das Berliner Olympiastadion ist zweifelsohne eine der schönsten Arenen Europas und geradezu idealtypisch für große Endspiele und Finals geeignet. Und wenn das Stadion ausverkauft ist, ist es nicht nur beeindruckend, sondern auch stimmungstechnisch herausragend. Darüber hinaus ist es eine grandiose Konzert- und Veranstaltungsarena, die auch in diesem Sommer wieder von Künstlern wie Coldplay, Rihanna oder Bruce Springsteen bespielt wird. Im letzten Sommer waren Helene Fischer, Udo Lindenberg und ACDC zu Gast – alle Shows waren ausverkauft.

Für den Bundesliga-Alltag ist das von 1934 bis 1936 erbaute Stadion aber nicht immer geeignet. Nicht jeder Gegner zieht 60-70.000 Zuschauer an, und die Entwicklung in der Bundesliga zeigt, dass es eher mehr Hoffenheims, Ingolstadts und Darmstadts werden, als weniger. Zuschauermagneten sind das nicht unbedingt. Und das Olympiastadion ist eben insbesondere ein Stadion für die ganz großen, besonderen Momente des Sports. Die kann es aber nunmal nicht im Zweiwochenrhythmus geben.

Die raumgreifende Arena, das muss in der Diskussion um ein neues Stadion aber unbedingt bedacht werden, bietet eben auch immense Vorteile. Es ist in jedem Fall ein sehr starker Teil der Identität des Clubs selbst. Wer an Hertha BSC denkt, der denkt an Charlottenburg, Westend, Olympiastadion. Das ist in Zeiten der Austauschbarkeit von Stadien und dem vermehrten Aufstieg von Retorten-Vereinen ein nicht zu vernachlässigender Punkt. Zudem liegt das Stadion in der Stadt, wenn auch am westlichen Rand des Innenstadtbereichs. Die Anbindung an das Stadion ist nahezu unschlagbar. Die Arena ist über Heerstraße, Stadtautobahn, U- und S-Bahn erreichbar, und das Areal ist so weitläufig angelegt, dass Engpässe beim Abtransport der Menschenmassen auch bei ausverkauften Spielen kaum auftreten. Einen solchen Standortvorteil gibt es in Berlin kein zweites Mal. Und wer schonmal Spiele auf den Feldern vor Mönchengladbach oder München besucht hat, weiß um den Luxus eines innerstädtischen Stadions.

Mercedes-Benz-Arena Stuttgart: Umwandlung eines Leichtathletik-Stadions in eine reine Fußball-Arena

Dennoch schaut sich der Verein nun nach Alternativen um. Und das tut er auch, weil ihm die Stadt und die Stadion-Betreibergesellschaft in den vergangenen Jahren kaum oder nur wenig entgegengekommen ist. Oder weil er den Preis für die Stadionmiete drücken will, denn im nächsten Jahr läuft der Pachtvertrag aus.

Aber unabhängig davon war Hertha nie ein Fan seiner blauen Laufbahn. Die Entscheidung für ein Leichtathletik-Stadion ist dem Verein schon damals, in Person war es Dieter Hoeneß, bitter aufgestoßen. Aber die Blauweißen schluckten die Pille aus Mangel an Alternativen und verlängerten den Pachtvertrag. Hertha sah, dass es zwar Hauptmieter war, aber gegen die strengen Auflagen des Denkmalschutzes nicht ankam. Und das ist bis heute so.

Davon hat der Verein nun offenbar genug, er möchte, ein modernes, gut vermarktbares Stadion, das ihm auch selbst gehört. Allein die Situation der Tageskassen, auf die Hertha BSC als Mieter keinen Einfluss hat, ist absolut unhaltbar. Wer sich kurzentschlossen an die Tageskassen-Container stellt, hat großes Glück, wenn er überhaupt den Anpfiff erlebt. Hier zeigt sich die Stadt genauso humor- wie kompromisslos. Das könnte ihr jetzt zum Verhängnis werden. Es sei denn sie bewegt sich auf eine Art und Weise auf Hertha BSC zu, die bis heute absolut undenkbar schien.

Trotz der ungeliebten Laufbahn ist vielen Hertha Fans aber allein die Vorstellung ein absolutes Graus, in einer austauschbaren Arena wie etwa dem Gladbacher Borussia Park, der Arena AufSchalke (mit Turnhallen-Charakter) oder der Mainzer Coface Arena zu spielen. Denn wenn Hertha eines nicht hat, ist es ein Stadion in Leichtbauweise von der Stange, bei dem man sich im TV fragen muss, wo das Spiel eigentlich stattfindet.

Genau das sollte sich die Betreibergesellschaft des Olympiastadions – und zwar gemeinsam mit dem Verein – zunutze machen und aus dem Olympiastadion das machen, was Verein und Fans gleichermaßen zufrieden stellen würde: Ein reines Fußballstadion. Das Beispiel in Stuttgart zeigt, dass dies problemlos gelingen kann. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Laufbahn muss nämlich unbedingt gestellt werden. Nachdem sich der DOSB im vergangenen Jahr für Hamburg und gegen Berlin als potenziellen Olympiastandort entschieden hat, sollte man sich in Berlin fragen, wofür die Laufbahn eigentlich noch benötigt wird. Das Thema Olympia-Bewerbung hat sich wohl für Jahrzehnte erledigt. Das nur einmal im Jahr veranstaltete „ISTAF“ hat regelmäßig Mühe, mehr als 50.000 Zuschauer ins Stadion zu locken und wird kaum mehr als eine schwarze null schreiben, ähnlich wird es wohl bei der Leichtathletik EM 2018 sein. Der Umsatztreiber im Olympiastadion sind und bleiben Fußballspiele und Konzertveranstaltungen. Dementsprechend sollte man reagieren und sich darauf konzentrieren.

Dass ein Umbau vom Leichtathletik- zum Fußballstadion gelingen kann, zeigt nicht nur das Beispiel Stuttgart. Auch in Hannover wurde die Laufbahn des Alten Niedersachsenstadions ästhetisch ansprechend überbaut. Andere gelungene Beispiele für ovale Stadien ohne Laufbahn finden sich mittlerweile zuhauf, wie etwa in Lissabon (Estadio da Luz) oder London (Emirates Stadium). Die Stadt würde damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie könnte Hertha BSC, den dringend benötigten Hauptmieter, im Stadion halten. Gleichzeitig würde das häufig hochgelobte, aber nicht für jedes Bundesliga-Heimspiel geeignete Leichtathletikstadion zu einer reinen, attraktiven Fußballarena, die auch für Konzerte weiterhin ideal nutzbar wäre.

Emirates Stadium, London

Estadio da Luz, Lissabon

Bewegen müsste sich dann insbesondere die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Hauptmieter Hertha BSC nicht nur die Hypothek „Laufbahn“ mit auf den Weg gab. Weil die Sichtachse zum Glockenturm erhalten bleiben musste, konnte das Dach über dem Marathontor nicht geschlossen werden. Dadurch trägt sich das Stahldach nicht selbst, es sind schwere Stahlträger nötig, die heute im Oberring von einigen Plätzen aus die Sicht auf das Spielfeld versperren. Auch darauf könnte Hertha sicherlich verzichten.

Denkmalschutz ist gut und wichtig, aber er darf nicht alles dominieren, denn die Welt dreht sich weiter. Dass das Olymiastadion als Baudenkmal erhalten werden konnte, war ein großer Gewinn für den Denkmalschutz und die Stadt. Ganz im Gegensatz übrigens zum legendären, alten Wembleystadion, was Jeder als fulminanten Verlust empfinden muss, der schonmal in der neuen, sterilen Hightech-Arena im Londoner Nordwesten war. Aber es gilt nun auch auf Seiten der Stiftung Deutscher Denkmalschutz, Kompromissbereitschaft zu zeigen. Denn eine unangebrachte Sturheit könnte dazu führen, dass den Standort Olympiapark ein ähnliches Schicksal ereilen könnte, wie das bei seinem Münchner Pendant der Fall ist.

Dort ist man in diesem Sommer auch sehr froh, dass Bruce Springsteen mal wieder vorbeischaut und die Arena füllt. Vielmehr tut sich dort nämlich nicht mehr, seit der FC Bayern in die vereinseigene Allianz Arena gezogen ist. Nur die hohen Instandhaltungskosten, die sind geblieben.

Also Berlin, mach es besser! Noch ist die Chance da.

P.S.: Natürlich sprechen wir hier über ein Luxusproblem, wenn Hertha BSC in einem Wettbewerb mit dem 1. FC Union, den Eisbären, ALBA, den Füchsen oder den Berlin Volleys nicht mehr als 50.000 Zuschauer im Schnitt ins Stadion bekommt. Der Kampf ums Sportpublikum ist in den vergangenen zehn Jahren angestiegen, wie auch die Zahl der Profisport-Vereine.

Aber so ist sie eben, die Hauptstadt – Think Big. Darunter geht nichts. Aber das ist noch lange kein Grund, in der Stadt ein weiteres Stadion zu errichten, das nicht wirklich gebraucht wird.

 

Das Olympiastadion als Fußballstadion ohne Laufbahn? Wir haben das einmal optisch dargestellt, in unserem Artikel „Blick in die Zukunft: Das Olympiastadion als reine Fußballarana

neu - Kopie


Avatar von Björn Leffler

3 Antworten zu „Baut das Olympiastadion um – und kein neues Stadion!“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More Articles & Posts