Die besten und schlimmsten Weltmeisterschaften seit 1950 – Teil 2

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Es lebe die Retrospektive. Heute: Fußball-WM! Meine ganz persönliche – und absolut subjektive – Einschätzung, von grandios geil bis grandios gescheitert. Mit kurzer Erläuterung und – ich wollte das immer schonmal machen – einer Bewertungsskala in Sternchen, von 1 bis 5. Im zweiten von zwei Teilen behandeln wir die Plätze 10 bis 1.

Zum ersten Teil geht es hier.

von Björn Leffler

Platz 6 (geteilt) – WM 1998 in Frankreich

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Es sollte die WM des Ronaldo werden, doch letztlich wurde es das Turnier des Zinedine Zidane. Und dass das so kam, entschied sich erst im allerletzten Spiel, als dem Spielmacher der Franzosen zwei Tore gelangen und Ronaldo, angeschlagen, eigentlich gar nichts. Die Franzosen holten sich mit dem 3:0 im Endspiel den ersten und bislang einzigen WM-Titel und krönten ein Turnier, das Fußball-Frankreich in Begeisterung versetzt hatte.

Vom Turnier bleiben einige Spiele in Erinnerung, die mittlerweile zu Klassikern geworden sind, so etwa das Achtelfinale zwischen England und Argentinien, Deutschlands Scheitern gegen Kroatien, das dramatische Halbfinale der Niederländer gegen Brasilien oder das Viertelfinale Frankreich gegen Italien, welches die Franzosen im Elfmeterschießen gewannen.

Ein empfindlicher Wehrmutstropfen dieser Weltmeisterschaft war die Größe der Stadien. Bis auf das Stade de France bei Paris und das Stade Vélodrome in Marseille kamen wenige Spielstätten auf eine Kapazität von über 40.000 Plätzen, was viele Fans verärgerte und einige große Duellen um den würdigen Rahmen brachte. Vier Jahre zuvor in den U.S.A. war vor deutlich mehr Zuschauern gespielt worden. Unrühmliche Höhepunkte des Turniers waren gewalttätige Ausschreitungen deutscher und englischer Hooligans an mehreren Spielorten.

Platz 6 (geteilt) – WM 2010 in Südafrika

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Die Stimmung einer Weltmeisterschaft lebt häufig davon, wie sich die Gastgeber während des Turniers schlagen. Die aber schieden bei der WM 2010 relativ chancenlos bereits in der Vorrunde aus, so dass im weiteren Turnierverlauf alle Sympathien der Heim-Fans dem Team aus Ghana galten, welches sich dann aber äußerst unglücklich im Viertelfinale gegen Uruguay verabschiedete. Die Hoffnung auf einen Durchbruch für den afrikanischen Fußballs bei der „Heim-WM“ erfüllte sich leider nicht.

Dass das Turnier im südafrikanischen Winter stattfand, trug nicht immer positiv zur Stimmung während des Turniers bei. Das Finale war eines der wenigen, welches bei Temperaturen deutlich unter 10 Grad ausgetragen wurde, wie fast alle Abendspiele. Das Turnier sah einige großartige Spiele, wie etwa Deutschlands Kantersiege gegen England und Argentinien oder Hollands Siege gegen Brasilien und Uruguay. Mit Spanien wurde eine Mannschaft Weltmeister, die wenig begeisternden Fußball bot und nur ein einziges Mal wirklich überzeugen konnte, im Halbfinale gegen Deutschland, wo sie klar besser war. Ansonsten zeigten die Spanier überwiegend zähen, aber äußerst effektiven Zweckfußball.

Das Finale, ein einziges Getrete zwischen zwei Mannschafte, die scheinbar nur auf Zerstörung aus waren, entschieden die Spanier gegen die Niederlande knapp mit 1:0 für sich, durch einen Treffer kurz vor Ende der Verlängerung. Man hätte den Gastgebern bei der ersten WM auf afrikanischem Boden einen würdigeren Abschluss gegönnt.

Platz 5 (geteilt) – WM 1994 in den U.S.A.

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Als die Fußball-WM 1994 in die U.S.A. vergeben wurde, war das Unverständnis groß. Was sollten denn die Amis mit einer Fußball-WM? Die Kritiker prophezeiten leere Stadien und völliges Desinteresse im Land des Ausrichters. Sie sollten sich grandios irren. Die Amerikaner ließen die Spiele in ihren großen Football-Arenen austragen, und diese waren prallgefüllt. Egal ob die Spiele im Giants Stadium, New Jersey (77.000 Plätze), im Silverdome von Foxborough (80.000 Plätze) oder dem Finalstadion, der Rose Bowl in Pasadena (91.000) ausgetragen wurden, die Partien waren fast durchgehend ausverkauft.

Das Turnier lebte zudem davon, dass die Begeisterung der Amerikaner für ihr eigenes Team überraschend groß war, die U.S.-Boys erreichten das Achtelfinale und scheiterten dort, am 4. Juli, denkbar knapp mit 0:1 an Brasilien. Die Brasilianer zeigten überragenden Fußball und ein dramatisches Viertelfinal-Duell gegen die Niederlande, welches sie mit 3:2 gewannen. Der Torjubel von Bebeto nach dem 1:0, bei dem er sein frischgeborenes Kind hochleben ließ, ist längst zur Legende geworden.

Auf der anderen Seite des Turniertableaus verabschiedeten sich große Favoriten wie Argentinien (nach Diegos Kokain-Skandal) oder Deutschland (aufgrund der Stärke einer brillant besetzten bulgarischen Mannschaft) frühzeitig. Beinahe wäre auch Italien dabei gewesen, aber die Klasse eines einzigen Mannes hielt die Azurri immer wieder im Turnier und trug sie letztlich bis ins Endspiel, wo ausgerechnet er zum tragischen Held werden sollte: Roberto Baggio.

Das leider sehr ereignisarme Finale Brasilien gegen Italien musste im Elfmeterschießen entschieden werden, und Baggio setzte den letzten Elfmeter über das Tor, was Brasilien zum Weltmeister und ihn zum ewig Schuldigen machte. Eine Weltmeisterschaft, die etwas weiter vorn gelandet wäre, wären die Teams im Endspiel etwas mehr Risiko eingegangen. Trotzdem sticht sie aus der Menge positiv heraus.

Platz 5 (geteilt) – WM 2006 in Deutschland

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Die Deutschen wollten es bei ihrer ersten Weltmeisterschaft im wiedervereinigten Deutschland ganz besonders gut machen und präsentierten sich der Welt als absolut perfekte Gastgeber. Zusätzlich strahlte die Sonne über Mitteleuropa fast exakt vier Wochen so zuverlässig, als hätte auch der Wettergott Spaß an einer regenfreien Weltmeisterschaft.

Die Gastgeber hatten keine Kosten gespart und einige sehr attraktive Stadien errichten oder modernisieren lassen, wie etwa die Allianz Arena in München, die Arena Auf Schalke, das runderneuerte Berliner Olympiastadion, das ausgebaute Dortmunder Westfalenstadion oder das Leipziger Zentralstadion. Die Stimmung während der WM war einerseits so prächtig, weil die Gastgeber überraschend bis ins Halbfinale vorstießen und letztlich verdient den dritten Platz gewannen. Das dramatische Viertelfinale gegen Argentinien ist – nicht nur aufgrund von Andreas Köpkes Zettel-Trick – längst zum Klassiker avanciert.

Auf der anderen Seite wurde das Land geflutet von hunderttausenden Fans aus Spanien, Frankreich, Italien, Polen, England oder Portugal. Die Gastgeber im Herzen Europas boten wunderbar kurze Wege. Nahezu jedes Spiel war ausverkauft, der Rahmen stimmte also. Spielerisch jedoch dominierten insbesondere ab der K.O.-Runde viel Krampf und vor allem Spiele, in denen kaum noch Tore fielen. England scheierte erneut im Elfmeterschießen, nach einem 0:0 gegen Portugal. Das Halbfinale Deutschland gegen Italien in Dortmund wurde zu einem offenen Schlagabtausch und einer attraktiven Partie in würdigem Rahmen, die die Italiener knapp aber verdient gewannen. Das zweite Halbfinale Frankreich gegen Portugal in München war ein trostloser Kick, der durch einen geschundenen Elfmeter entschieden wurde.

Das Finale wurde durch Zidanes Kopfstoß gegen Materazzi letztlich legendär, lebte ansonsten aber eher von der Spannung. Weltmeister wurde Italien. Es war das  Ergebnis einer Weltmeisterschaft, die in großartigem Rahmen, aber ohne große Favoriten und überragendes spielerisches Niveau auskommen musste. Dass letztlich das nicht sonderlich herausstechende Italien den Titel holte, passte dann irgendwie.

Platz 5 (geteilt) – WM 1954 in der Schweiz

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In Deutschland ist die WM 1954 und das dazugehörige, oft verklärte „Wunder von Bern“ längst fester Bestandteil der deutschen Nationalgeschichte. Das Turnier war aber auch darüber hinaus an Spannung und spielerischer Brillanz schwer zu überbieten. Zwar fanden die Spiele in verhältnismäßig kleinen Stadien und – besonders in der Vorrunde – vor nur wenigen Zuschauern statt, dies wurde jedoch durch großartige Teams und insbesondere die spannenden Partien der K.O.-Runden wettgemacht. Und der Geschichte des tiefen Falls eines der größten Turnierfavoriten aller Zeiten.

Ungarn war vor dem Turnier vier Jahre ungeschlagen gewesen, hatte das Mutterland des Fußballs, Engand, zu Hause fulminant mit 7:1 und in Wembley mit 6:3 besiegt. Die Journalisten waren sich vor dem Turnier einig, dass nur Ungarn Weltmeister werden könnte. Nach dem 8:3 gegen die Deutschen in der Vorrund hatte niemand mehr Zweifel, dass der Weg der Ungarn erst mit dem Gewinn des Weltmeisterpokals enden würde, zu genial agierte die Mannschaft um Kapitän Puskás. Neben Ungarn und Deutschland schafften es aber noch einige weitere äußerst stark besetzte Teams ins Viertelfinale, darunter Österreich, die die schweizerischen Gastgeber in ihrem Viertelfinal-Duell mit sage und schreibe 7:5 schlugen. England scheiterte am starken Titelverteidiger Uruguay (2:4), Deutschland setzte sich denkbar knapp und eher überraschend gegen Jugoslawien durch (2:0) und Ungarn hatte mit Brasilien mehr Mühe, als ihnen lieb war (4:2).

Im Halbfinale Österreich gegen Deutschland waren die Österreicher – aus heutiger Sicht skurril, aber es war so – der große Favorit. Und gingen  mit 1:6 unter, eine Sensation. Im anderen Halbfinale musste Ungarn gegen starke Uruguayer in die Verlängerund und siegte erst spät mit 4:2. Schon hier hatten sie bereits 2:0 geführt und wurden durch späte Tore in der 75. und 86. Minute in die kräfteraubende Verlängerung gezwungen. Es waren vielleicht die entscheidenden Prozentpunkte an Kraft und Spritzigkeit, die ihnen im Finale gegen Außenseiter Deutschland fehlten.

Das Turnier ist, nicht nur aufgrund des dramatischen Endspiels, legendär geworden. Und hatte dann auch weitreichende Folgen: die Ungarn wurden zu Hause von den Fans mit Steinwürfen empfangen und spielten nie wieder in dieser Formation. Noch auf dem Sterbebett sagte Gyula Grosics, Torhüter der Ungarn: „Wir haben verloren.“ In Deutschland empfingen Millionen euphorisierter Menschen die heimkehrenden Sieger und trugen damit zu einem neu erwachsenden Selbstbewusstsein im zerstörten Nachkriegsdeutschland bei.

Platz 4 – WM 2014 in Brasilien

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Eine Weltmeisterschaft in Brasilien – die Fußballfreunde frohlockten. So waren die letzten Turniere in Asien und Afrika – mit Ausnahme des Turniers in Deutschland – keine wirklichen Stimmungsraketen gewesen. Die Begeisterung, die sich die Fußballfans versprochen hatten, bekamen sie auch. Das Turnier avancierte zum Championat der Südamerikaner. Neben den Gastgebern, die bis zum Halbfinale eine riesige Euphorie im Land entfachten, spielten auch die Teams aus Argentinien, Mexiko, Chile, Kolumbien, Costa Rica und Uruguay groß auf. Und ihre Fans verbreiteten sensationelle, heißblütige Atmosphäre in fantastischen Stadien.

Die arrivierten Teams aus Europa verabschiedeten sich reihenweise aus dem Turnier. Weltmeister Spanien scheiterte genauso in der Vorrunde wie Italien und England. Neben Deutschland spielten vor allem Frankreich und die Niederlande ein starkes Turnier. Die Franzosen scheiterten knapp an Deutschland, die Orangenen erst im Halbfinal-Elfmeterschießen gegen Messis Argentinier.

Das Halbfinale der Brasilianer gegen den späteren Weltmeister Deutschland geriet zur großen nationalen Schmach, aber auch zu einer unvergesslichen Partie des Fußballsports. Das Finale in würdigem Rahmen ging knapp an Deutschland, die ein großartiges Turnier verdient gewannen. Brasilien hielt das, was die Experten erwartet hatten – vier Wochen absolute Fußball-Leidenschaft.

Platz 3 (geteilt) – WM 1986 in Mexiko

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Das Turnier, das eigentlich in Kolumbien stattfinden sollte, fand 1986 nach 1970 zum zweiten Mal in Mexiko statt, da die kolumbianische Regierung sich mit der Austragung des Turniers offenbar übernommen hatte. So fand eines der besten WM-Turniere aller Zeiten erneut in Mexiko statt und machte einen Mann zur Legende, der weit über die Grenzen des Fußballs hinaus weltweite Berühmtheit erlangte: Diego Armando Maradona.

Maradona führte eine argentinische Mannschaft ins Finale, die vor dem Turnier aufgrund äußerst schwacher Testspiele bei kaum einem Experten als Turnierfavorit gegolten hatte. Da sahen eben jene Experten eher die Franzosen um Michel Platini, die als frisch gebackener Europameister antraten. Oder eben Zicos Brasilien, das endlich wieder einmal den Titel holen wollte. Zuzutrauen war es beiden Teams, und als sie schließlich im Viertelfinale aufeinandertrafen, sprach man von einem vorweggenommenen Endspiel. Das Duell in der gleißenden Mittagssonne von Guadalajara ging als bestes Spiel des Turniers und eines der besten der gesamten WM-Geschichte in die Historie ein. Beide Teams schenkten sich über 120 Minuten nichts und brannten ein fußballerisches Feuerwerk ab, das den Zuschauern auf den Rängen und an den Fernsehern den Atem raubte. Am Ende setzten sich die Franzosen im Elfmeterschießen durch und galten anschließend als Favorit Nummer eins auf den Titel.

Das Turnier war aber eben auch deshalb so begeisternd, weil es Überraschungen und Wendungen gab, die niemand vorhersehen konnte. So scheiterten denn die hochfavorisierten Franzosen wie schon vier Jahre zuvor im Halbfinale an Deutschland, die sich mit ihrem Team um die jungen Matthäus, Brehme und Völler mit 2:0 durchsetzen und nach dem Weltpokal greifen konnten. Diegos Argentinier schlugen erst England und im Halbfinale dann Belgien. Das Viertelfinale gegen England war ob der politischen Verstrickungen beider Länder eigentlich schon brisant genug, aber Maradona setzte dem noch die Krone auf. Er erzielte erst ein Tor mit der „Hand Gottes“ und dribbelte dann derartig atemberaubend durch die Reihen der Briten, dass er mit dem vorentscheidenden 2:0 ein Tor für die Ewigkeit erzielte.

Das Finale krönte ein sensationelles Turnier. Als die favorisierten Gauchos bereits mit 2:0 führten und ihre Fans auf den Rängen des riesigen Aztekenstadions bereits den Titel feierten, schlugen die Deutschen eiskalt zu. Erst war es Rummenigge, der in der 74. Minute den Ball zum 1:2 über die Linie grätschte, sechs Minuten später war es dann Völler, der zum 2:2 einnickte. Eine dramatische Wende, der noch eine weitere folgen sollte, als Maradona den nun auf die Entscheidung drängenden Deutschen den Todesstoß versetzte, mit einem Traumpass auf Burruchaga, der eiskalt auf 3:2 erhöhte und Argentinien zum hochverdienten Weltmeister machte. Es war die Kirsche auf der Sahne eines Turniers, das auch beim heutigen Anschauen noch großen Fußballgenuss bietet.

Platz 3 (geteilt) – WM 1990 in Italien

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Eine wundervolle WM in einem wundervollen italienischen Sommer. Die Weltmeisterschaft im Land des Calcio fand zu einer Zeit statt, als die Serie A als beste Liga der Welt galt und der Großteil der bei der WM auftrumpfenden Spitzenspieler auch bei italienischen Vereinen unter Vertrag standen. Die Gastgeber modernisierten und erweiterten einen Großteil ihrer Stadien und schufen zum größten Teil wunderschöne und vor allem stimmungsvolle Arenen, wie etwa das Stadio Olimpico in Rom, das Mailänder Guiseppe Meazza Stadion in seiner heutigen Form oder das damals noch moderne, nicht verschmähte Stadio delle Alpi in Turin.

Es war eine Weltmeisterschaft, die eine großartige Atmosphäre produzierte und brillante Spieler zusammenführte. Die Heimspiele der Italiener waren Feste für das ganze Land, aber auch die Spiele der deutschen Mannschaft in Mailand waren reine Heimspiele vor schwarz-rot-goldenem Fahnenmeer. Im Achtelfinale kam es zu zwei großartigen Duellen: die Deutschen schlugen die Niederlande in einem brisanten und hochdramatischen Spiel verdient mit 2:1, und Diego Armando Maradona führte seine Argentinier zu einem schmeichelhaften aber historischen 1:0 gegen Erzfeind Brasilien.

Einen weiteren Farbtupfer in diesem Turnier setzten die Engländer, die mit ihrem energischen Kick and Rush ins Halbfinale vorstießen, auch aufgrund herausragender Einzelspieler wie Paul Gascoigne, David Platt oder Gary Lineker. Das knappe Scheitern gegen den späteren Weltmeister Deutschland im Elfmeterschießen gilt als Grundstein der heutigen Elfmeter-Phobie englischer Nationalmannschaften.

Im zweiten Halbfinale kam es zu einer denkwürdigen Konstellation: ausgerechnet in Neapel empfing Gastgeber Italien Titelverteidiger Argentinien. Diego Maradona, seinerzeit in Diensten des SSC Neapel, wurde von den Bewohnern der Stadt wie ein Heiliger verehrt, und so war die Stimmung im Stadion nicht ganz so feindselig, wie sie es normalerweise gewesen wäre. Die Argentinier krampften sich ins Elfmeterschießen und gewannen schließlich, womit sie ein ganzes Land in tiefe Trauer stürzten. Mit der gleichen Taktik wollten sie im Finale auch die hoch favorisierten Deutschen schlagen, was dann leider zu einem unansehnlichen Endspiel führte, in welcher die Deutschen ihre Chancen nicht nutzen konnten und auf ein Elfmetergeschenk angewiesen waren.

Die großartigen, abendlichen Bilder des Olympiastadions von Rom und des feiernden, verdienten Weltmeisters gingen genauso um die Welt wie der stumme Siegesmarsch von Franz Beckenbauer auf dem Rasen der Arena und die Tränen des bitter enttäuschten, geschlagenen Diego Maradona.

Platz 2 – WM 1970 in Mexiko

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Das neu errichtete Aztekenstadion bildete einen majestätischen Rahmen für eine Weltmeisterschaft, die vollgepackt war mit legendären Spielern und Spielen. Pelé, der dazu überredet werden musste, noch einmal für Brasilien eine Weltmeisterschaft zu spielen, führte seine großartige Celecao bis ins Endspiel von Mexiko City und schlug dabei in der Vorrunde Weltmeister England in einem hart umkämpften Duell mit 1:0.

Die Engländer um Bobby Charlton zählten aber auch anschließend noch zu den heißen Turnierfavoriten und trafen im Viertelfinale auf eine junge, aufstrebende deutsche Mannschaft. Die Revance für das WM-Finale von vor vier Jahren glückte den Deutschen: trotz eines 0:2-Rückstandes drehten die Mannen um Seeler, Schnellinger, Müller und Beckenbar die Partie und gewannen nach Verlängerung noch 3:2. Seelers Hintertor-Kopf und Müllers Volley zum 3:2  – längst legendär.

Dies reichte allerdings noch nicht, und so spielten die Deutschen nur wenige Tage später das „Jahrhundertspiel“ im Halbfinale gegen Italien, als sie erst nach Verlängerung mit 3:4 unterlagen und es im Minutentakt auf beiden Seiten zu Torchancen kam. Beckenbauer, schwer an der Schulter lädiert, spielte mit einem losen Verband bis zum Ende der Verlängerung durch. Die Mannschaft wurde letztlich Dritter und in Deutschland wie ein Weltmeister empfangen.

Im Finale trafen die Italiener auf die übermächtigen Brasilianer, die in einem der einseitigsten aber dennoch spektakulärsten WM-Endspiele die Azurri mit 4:1 überrollten. Ein Tor war schöner als das andere, Brasilien schien die Italiener nach Belieben zu dominieren. Pelé wurde zum dritten Mal Weltmeister, bis heute unerreicht. Die Bilder, auf denen er auf den Schultern seiner Mitspieler durch die Arena getragen wurde, den WM-Pokal in Händen haltend, gingen um die Welt.

Die Brasilianer konnten den Pokal behalten, da sie den Titel zum dritten Mal geholt hatten. Vizeweltmeister Italien wurde zu Hause mit Tomaten und faulen Eiern empfangen. So sind sie wohl, die Tifosi. In Mexiko jedoch, wo der Gastgeber bereits in der Vorrunde ausgeschieden war, hatte bis zum Ende des Turniers grenzenlose Begeisterung für den großartigen Fußball geherrscht, den die Mexikaner von den teilnehmenden Teams geboten bekamen. Mexiko 1970, das war eine Weltmeisterschaft mit Fußball in seiner schönsten Form – offensiv, wild, spektakulär. Eine traumhafte WM.

Platz 1 – WM 1966 in England

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Allein beim Blick auf die Spieler, die an der WM 1966 teilnahmen, entfährt einem ein anerkennendes Raunen. Bobby Charlton, Franz Beckenbauer, Eusebio, Pelé – alle diese Weltklasse-Spieler in einem einzigen Championat. Und dann auch noch in England, dem Mutterland des Fußballs.

Die Engländer wollten der Welt zeigen, wie der Fußball auf der Insel funktionierte. Die Spiele der WM fanden fast ausschließlich in reinen, atmosphärisch engen Fußballstadien statt und waren durchgehend gut besucht. Die dicht aneinander stehenden Fans produzierten eine elektrisierende Stimmung in den Stadien der WM, die sich auch auf die Spieler übertrug.

Gastgeber England spielte ausnahmslos im Londoner Wembleystadion, welches jeweils mit über 90.000 Zuschauern ausverkauft war. Die Engländer galten als großer Favorit auf den Titel, insbesondere nach dem überraschenden Vorrunden-Aus von Titelverteidiger Brasilien. Die WM bot alles, was man sich wünschen konnte: spannende Duelle von Mannschaften, die sich auf absoluter Augenhöhe begegneten, Tore und Spiele, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit in die Geschichte eingingen und – natürlich – auch Überraschungen. Nord-Koreas 1:0-Vorrunden-Sieg über Italien gilt noch heute als eine der größten Sensationen der WM-Geschichte.

Im Viertelfinale kam es zum Duell zweier Mannschaften, die überhaupt noch nie an einer WM teilgenommen hatten und es beide ins Viertelfinale geschafft hatten: Nord-Korea und Portugal. Die Asiaten führten zur Pause sensationell mit 3:0 und standen kurz vor dem Einzug ins Halbfinale, in der zweiten Hälfte jedoch schlug Stürmerstar Eusebio vier Mal zu, Portugal gewann noch 5:3. Die junge Deutsche Mannschaft mit dem erst 20-jährigen Beckenbauer schlug Uruguay 4:0 und anschließend in einem hochspannenden Halbfinale die leicht favorisierten Spieler der Sowjetunion mit 2:1. Im anderen Halbfinale traf England auf die starken Portugiesen und gewann ebenso mit 2:1, was den Weg zu einem Finale zweier Weltkriegs-Erzrivalen freimachte: England gegen Deutschland.

Das Finale gehört bis heute zu den besten und packendsten Endspielen der Fußballgeschichte. Die frühe Führung der deutschen Mannschaft im Hexenkessel von Wembley, die Wende durch zwei Tore der Engländer, der Ausgleich für die Deutschen in der letzten Minute und – schließlich und unvermeidlich – eine spielentscheidende Schiedsrichter-Entscheidung, über die bis heute diskutiert wird. Viel mehr kann man von einem einzigen WM-Turnier wohl kaum erwarten.

 

 

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