Die FIFA bleibt erwartbar wie ein Rechenschieber

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So richtig war keine öffentliche Regung mehr wahrnehmbar. Die Entscheidungen der FIFA zum Auftakt des Jahres waren erwartbar genug, um sie einfach abzunicken. Gianni Infantinos Plan die WM ab 2026 auf 48 Nationen aufzustocken, wurde durchgesetzt. Dies verwundert genauso wenig wie die abermalige Auszeichnung einer fußballspielenden Werbe-Ikone aus Portugal.

In Zeiten, in denen alles infrage gestellt wird und sich die Gesellschaft in divergierende soziale Gemeinschaften auflöst, Ängste geschürt und der Populismus die demokratische Kultur vor sich hertreibt, ist es manchmal doch ganz schön, sich auf ein paar Konstanten im Leben verlassen zu können. Und so liefert einem die FIFA kontinuierlich Neuigkeiten, die keine Neuigkeiten sind. Erwartbar wie ein Rechenschieber arbeitet der Weltkonzern daran, seinen sportpolitischen Einfluss auszubauen, wirtschaftliche Märkte zu erschließen und abzuschöpfen und seine Kern-Protagonisten im Status einer globalen Ikone zu bewahren.

Die Entscheidung das Teilnehmerfeld der Fußball-Weltmeisterschaften der Herren von 32 auf 48 zu erweitern, ermöglicht unweigerlich vielen kleineren Nationen die Teilnahme an der großen Endrunde. Nun könnte man meinen, an den Schreib- und Konferenztischen in Zürich sitzen Mitarbeiter mit einem großen Herz, denn sie verschaffen Millionen von Fußball-Fans die Möglichkeit einer WM frenetisch beizuwohnen. Auch die Niederlande und England haben nun endlich wieder Planungssicherheit und können auf Jahre hinaus ihre Urlaubsplanungen rund um das sportliche Mega-Event angehen. Die Qualifikationsphase könnte man dann auch sogleich umbenennen in Disqualifikationsphase, da sich so mancher dann wirklich anstrengen muss, um nicht dabei zu sein und seinen wohlverdienten Sommerurlaub zu ergattern. Die Profiteure des aufgestockten Teilnehmerfelds sind vor allem Indien, China, Kanada und einhergehend die FIFA-Marketingabteilung. Schlagartig wird die Hälfte der Weltbevölkerung in den Bann des internationalen Fußballs gezogen. 48 Nationen. Die Welt schaut auf ein Turnier.

Wäre da nicht die Zwischenrunde im Turnier, könnte man schnell von einer guten Idee sprechen, denn die Chance für so viele Menschen emotional dabei zu sein und der Modus der 3er-Gruppen sind ungemein spannend. Lediglich die mangelnde Konsequenz konterkariert den Wettbewerb. Der Gruppenzweite qualifiziert sich ebenfalls für die K.O.-Runde, so dass wiederum zwei bis drei Wochen ins Land gehen werden, um 48 Teilnehmer auf 32 zu reduzieren. Spannend wird dann auch die Konstellation zum letzten Spiel der 16 Gruppen sein, wenn die Duellanten sich über ein 0:0 beide für die nächste Runde qualifizieren können. Soll es ja schon gegeben haben. Die Möglichkeit zur Manipulatin des dritten Spiels könnte durch das Ausscheiden des Gruppenzweiten vermieden werden. Vielleicht wird da ja doch noch nachjustiert. Dass dies nicht der Fall sein wird, ist jedoch genauso erwartbar, wie das Amen in der Kirche. Schließlich würden damit ja Märkte eine Woche früher als einkalkuliert hops gehen. Der FIFA-Rechenschieber funktioniert wie ein Uhrwerk.

Auch die Wahl zum Weltfußballer repräsentiert diesen marktgerechten Mechanismus, denn diese ist im vergangen Jahrzehnt vollends zur alljährlichen Farce geworden. Die ehrenwerte Entscheidung wird eigentlich nur noch zwischen zwei Namen gefällt, die es sich an der dieser Stelle kaum noch zu nennen lohnt. Seit 2008 hat kein anderer mehr diese glorreiche Wahl für sich entscheiden können. Beide sind unwiderstehlich gute Fußballer- keine Frage, aber ist ihre Alleinstellung auf diesem Planeten gerechtfertigt? Es ist eine Selbstverständlichkeit geworden, dass beide in die Auswahl der letzten drei Kandidaten aufgenommen werden und es wäre ein Affront, wenn keiner der beiden gewinnen würde. Wie schon erwähnt, lässt sich deren Qualität nicht absprechen, aber immerhin lebten und leben wir in Zeiten eines Andrea Pirlo, Zlatan Ibrahimovic und Robert Lewandowski. Ibrahimovic und Lewandowski wird dabei genauso wie dem werten Gareth Bale zusehends ihr Herkunftsverband zum Verhängnis, der jeweilig nur wenig Lobby innerhalb der FIFA hat. In den inner circle kommen halt nur Auserwählte und diese sind vorrangig Vertreter aus den führenden Fußballnationen.

Dies wird durch die Fokussierung auf den Wettstreit zwischen Lateinamerika und Europa um die Krone der Fußballkultur noch manifestiert. Ronaldo und Messi werden schon längst nicht mehr nur sportlich betrachtet. Sie sind Stellvertreter von Fußballwelten und werden entsprechend glorifiziert. In diese Phalanx einzubrechen, würde bedeuten, das ganze Marketing-System aus dem Gleichgewicht zu bringen. Und so gewinnt man den Eindruck, dass deren Konkurrenz-Situation diesen Status nur noch gefestigt hat. Das Urteil der Jury beschäftigt sich alljährlich nur noch damit, wer von den beiden im letzten Jahr mehr Tore und Titel eingeheimst hat. Ab und zu wird ein Quotentyp als Überraschungskandidat zur Wahl zugelassen und dient dabei als Inbegriff einer auf den aktuellen Wert für den Sport orientierten Wahl. Antoine Griezmann, Franck Ribery, Fernando Torres, Xavi, Andres Iniesta, Neymar und Manuel Neuer durften allesamt mal herhalten, um nett in die Kamera zu lächeln, während Cristiano oder Lionel den Goldenen Ball präsentieren durften. Immerhin lässt sich daran erkennen, in welchem Jahr wir sind.

Cristiano und Lionel sind zu Konkurrenten für die Ewigkeit stilisiert worden. Sie fungieren als wiederauferstandener Konflikt zwischen Pelé und Maradona, nur dass sie innerhalb einer Generation und einer Liga konkurrieren. Diese Geschichte hat dadurch stete Aktualität bei gleichzeitiger Legendenbildung. Eine Goldgrube unserer medialisierten Gesellschaft. Man fragt sich ein wenig, wie die Marketing-Abteilung der FIFA aus dieser Sackgasse wieder herauskommen möchte, wenn die beiden in fünf bis acht Jahren abtreten werden. Die zwei elementaren Vorbilder einer globalen Fußballkultur werden in ihrer überbordenen Inszenierung kaum zu ersetzen sein. Und so wird diese Geschichte bis zum bitteren Ende ausgereizt – ähnlich wie Free Willy 3.

 

Axel Diehlmann

 

 

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