Ein Balanceakt der sportpolitischen Diplomatie

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Das Pokalfinale wartet am morgigen Samstag mit der standardisiert als „Clasico“ inszenierten Partie zwischen Borussia Dortmund und Bayern München auf. Damit verbunden ist die Erwartung auf ein rauschendes Fußballfest zwischen den zwei ambitioniertesten Vereinen Deutschlands, die erneut ihre Aufwartung in Berlin machen. 1985 fiel die Entscheidung des DFB das Olympiastadion zum deutschen Wembley zu machen – ein Balanceakt der sportpolitischen Diplomatie. 

90er (9)

„Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!“

Die alljährliche Austragung des Pokalfinals im Berliner Olympiastadion ist einer der Höhepunkte des nationalen Fußballs. Die Spielstätte ist im sportkulturellen Bewusstsein dermaßen institutionalisiert, dass alternative Modelle nur schwerlich vorstellbar sind. Von der ersten Runde des DFB-Pokals an gilt das weite Rund im Westen Berlins als Verheißung glorreicher Momente des Sports. Angesichts dieser mentalen Überhöhung wird leicht vergessen, dass diese Spielstätte erst über den Umweg der internationalen Diplomatie des Kalten Krieges die Chance erhielt seinen Mythos zu entfalten.

1943 wurde vorläufig letztmals ein Finale im Olympiastadion ausgetragen, welches für die Spiele von 1936 errichtet wurde und die Überlegenheit der nationalsozialistischen Politik und Kultur baulich manifestieren sollte. Diese konzeptionelle Grundlage im Verbund mit der politischen Teilung des Landes führte dazu, dass das Stadion eher einem Mahnmal als einer Sportstätte glich. Berlin war durch die Vergangenheit und Gegenwart auf dem Abstellgleis der Geschichte, gleichzeitig aber Kristallisationspunkt und Fokus der politischen Symbolik des Kalten Krieges.

1985 offenbarte sich im Vorfeld der deutschen Bewerbung als Austragungsland der Europameisterschaft 1988 eine der vielen Konfliktlinien zwischen der BRD und der DDR. Während die Bundesrepublik anstrebte West-Berlin und das hiesige Olympiastadion in den Turnierplan zu integrieren, um die Verbundenheit zur Stadt zu demonstrieren, widersetzte sich die DDR im Verbund mit den Ostblockstaaten der Austragung von Spielen der Europameisterschaft im repräsentativen Schaufenster des Westens. Der erwartete politische Druck durch die große Öffentlichkeit sollte vermieden werden. Um diesen Konflikt nicht ausufern zu lassen, fiel letztendlich die Entscheidung die EM in Deutschland ohne Berlin auszutragen, gleichsam jedoch als Zeichen an die Berliner Bevölkerung, das Finale des DFB-Pokals ab 1985 regelmäßig in Berlin auszutragen. Begünstigt durch die Setzung eines sportpolitischen Zeichens, etablierte sich das Berliner Olympiastadion als alternativloser Finalstandort, der insbesondere nach dem Fall der Mauer zu einem Wahrzeichen des wiedervereinigten Berlins wurde.

Das Berliner Olympiastadion wird auch in diesem Jahr für das große Finale den passenden Rahmen liefern. Für die Fans von Borussia Dortmund und Bayern München ist das Stadion eine liebgewonnene Pilgerstätte geworden, die sie inzwischen regelmäßig aufsuchen dürfen. Bei der erstmaligen Auflage des Pokalfinals in Berlin am 26. Mai 1985 platzte mit 70.400 Zuschauern das Stadion aus allen Nähten. Wir blicken zurück auf die Atmosphäre im geteilten Berlin und die entscheidenden Szenen des damaligen Finals zwischen Bayer Uerdingen und den Münchener Bayern, welches der Außenseiter für sich entscheiden konnte…

Axel Diehlmann
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