Gemeinsam gegen den Hass

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Aus einem eigentlich völlig unscheinbaren Heimspiel kurz vor Weihnachten gegen Darmstadt 98 wurde ein symbolträchtiger Abend, den die Fans von Hertha BSC zum gemeinsamen Gedenken an die Opfer des Terroranschlags nutzten. Die Stimmung im Olympiastadion war dabei auf merkwürdige Art und Weise einzigartig.

von Björn Leffler

Auf dem Weg ins Stadion wurde schnell klar, dass die Hauptstadt im Moment, völlig verständlich, keinen Kopf für ein Fußballspiel hat. Der furchtbare Terroranschlag vom 19. Dezember lässt jeden Gedanken an sportliche Ereignisse oder Fußballspiele insgesamt banal und absurd erscheinen. Aber dennoch war es mir wichtig, mich an diesem Abend ins Olympiastadion zu begeben. Um mir, uns, Europa, der Welt und vor allem den Radikalen, die diesen grauenhaften Anschlag verübt haben, zu zeigen, dass wir uns nicht kleinkriegen lassen. Dass wir trotzdem ins Stadion, auf den Weihnachtsmarkt, zu öffentlichen Großveranstaltungen gehen. Dass wir unser freies Leben so weiterleben wie bisher und uns der feigen Gewalt nicht beugen.

Es war ebenso wichtig, zu zeigen, dass wir uns nicht anstecken lassen vom Hass, vom ungezügelten Zorn, von wilder Aggression. Vor dem Stadion kam es, wie angekündigt, zu ausführlicheren Kontrollen, die Stimmung war dabei vollkommen ruhig. Niemand beschwerte sich, hier und da erwischte man sich bei einem prüfenden Blick über den Vorplatz am Osttor, aber ansonsten schien alles relativ normal.

Im Stadion selbst verzichteten die Veranstalter sehr dankenswerter Weise auf jegliches Rahmenprogramm. Die Anzeigetafeln blieben schwarz, es gab weder Musik- noch Werbeeinspielungen oder irgendeine Art von Vorberichterstattung. Erst zur Schweigeminute meldete sich Stadionsprecher Fabian von Wachsmann und wandte sich mit bewegenden Worten an das Publikum im weiten Rund.

Die Schweigeminute, die eine bei einem Herthaspiel noch nie dagewesene Stille im Olympiastadion erzeugte, war bewegend und bedrückend zugleich. Zehntausende Lichter erleuchteten das abgedunkelte Stadion, und kaum jemand konnte sich vorstellen, dass in wenigen Minuten die auf dem Rasen Arm in Arm verharrenden Teams um Bundesliga-Punkte kämpfen würden. Wie alle Bundesliga-Teams an diesem Spieltag spielten auch Hertha und Darmstadt mit Trauerflor.

Besonders positiv herauszuheben ist, dass es nicht ein einziges Spruchband im Stadion gab, welches Beleidigungen in Richtung der Attentäter, der Terroristen, des Islam oder gar von Flüchtlingen zeigte. Die Zuschauer im Olympiastadion bewiesen gestern Abend, wie es auch die ganze Stadt bisher getan hat, sehr viel Kraft und Vernunft – was so viel schwieriger ist, als sich reaktionären Parolen hinzugeben. Davon warr gestern beim Heimspiel von Hertha nicht der Hauch einer Spur. Die Hertha-Fans in der Ostkurve hielten ein schlichtes Spruchband mit der Aufschrift „Berlin bleibt stark!“ hoch, und so taten es ihnen die mitgereisten Fans aus Darmstadt gleich, eine große Geste der Solidarität.

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Sogar auf die Hymne „Nur nach Hause geh’n wir nicht“ wurde dieses Mal verzichtet, zum Anpfiff stimmten die Fans das Frank-Zander-Lied dann aber a capella an. Als der Ball dann rollte, war es mitnichten so, dass sich alle im Stadion sofort auf den Fußball konzentrieren konnten. Die Ostkurve gab von Anfang an ihr Bestes und füllte das Stadion mit einer wundervollen Atmosphäre, aber viele Gespräche, vor allem auf den Sitzplätzen, kreisten weiterhin um die Ereignisse am Breitscheidplatz.

Dann aber gab es den Moment, der für uns alle diesen Abend endgültig zu einem großartigen Fußballabend – und nicht nur zu einem würdigen Gedenken an die Opfer – werden ließ. Marvin Plattenhardts fantastischer 30-Meter-Freistoß links oben in den Winkel riss jeden im Stadion von den Sitzen und ließ uns dann endlich für ein paar Augenblicke das vergessen, was nur wenige Tage zuvor die ganze Welt erschüttert hatte.

Der 2:0-Heimsieg der Herthaner bedeutet daher nicht nur, dass die Blauweißen auf einem fulminanten 3. Platz überwintern und eine großartige Hinrunde krönen konnten, sondern auch, dass Berlin wieder einen kleinen Schritt getan hat auf dem schwierigen Weg zurück zur Normalität.

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