„Mit Karte? Nee lass ma!“

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Hertha BSC hat vor einigen Jahren versucht, die Bargeldzahlung im Olympiastadion abzuschaffen und – wie es in der Bundesliga mittlerweile üblich ist – auf eine Zahlung mit Plastikkarte umzustellen. Ein grandioses Desaster, glücklicherweise.

von Björn Leffler

Dortmund, Gelsenkirchen, München, Mainz, Dresden, Hannover – nur eine Auswahl an Städten, deren Bundesliga-Vereine bereits seit vielen Jahren keine Bargeldzahlung auf dem Stadiongelände mehr zulassen. Einige von ihnen erlauben noch Bargeld in den Gästebereichen, andere aber setzen rigoros auf aufladbare Plastikkarten.

Das bargeldlose Bezahlsystem ist eines der widerlichsten Merkmale des modernen Fußballs, welches vor allem den Vereinen selbst nutzt, aber nicht den Fans. Denn vor allem für Stadionbesucher, die nicht zu den Dauerkarteninhabern gehören, ist das Aufladen und Entladen der Karten mit hohen Zeitaufwänden und langen Wartezeiten verbunden. Das ist von den Vereinen natürlich einkalkuliert. Viele lassen, entnervt vom Warten – und häufig auch vom Spiel – das übriggebliebene Guthaben einfach auf der Karte und schenken den Vereinen somit eine Menge Geld. In München macht dies über zwei Millionen Euro jährlich aus.

Offiziell hatte Hertha BSC auf das Bezahlsystem umgestellt, um die Dauer des Bezahlvorgangs an den Kassen zu verkürzen und somit auch die Wartezeit für die Besucher. Aber mit dem ein oder anderen Extra-Euro wird der Verein durchaus geliebäugelt haben. Dass das Bezahlen mit der Plastikkarte schneller vonstatten gehen soll, funktioniert häufig aber nur in der Theorie.

Wenn man beispielsweise nicht mehr genau weiß, wie hoch nun das auf der Karte verbliebene Budget ist, muss man erstmal einen Infopoint oder ähnliches aufsuchen. Wenn man auf Risiko geht, sich anstellt und den kürzlich erhöhten Becherpfand nicht berücksichtigt hat, wird die Wartezeit für alle umso länger, denn diskutiert wird natürlich erstmal ausführlich. Oder man ist zu zweit (mit nur einer Karte, wie das bei Pärchen oder Familien häufig der Fall ist) unterwegs und möchte sich gleichzeitig anstellen, einer für Würstchen, der andere am Getränkestand. Ach, verflucht – mit nur einer Karte geht das ja gar nicht… Und so weiter, und so weiter.

Umstände, die im braven Rest der Republik offenbar klaglos hingenommen werden. Ein Umstand, der einen immer wieder den Kopf schütteln lässt. Nicht so in der dickfälligen Bundeshauptstadt. Sobald auf dem Stadiongelände nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden konnte, wurde eben nicht mehr bezahlt – überhaupt nicht mehr. In dieser Zeit hörte man häufig Sätze wie „Kaate? Wattn fü’ne Kaate?“ (vorgetäuschte Unkenntnis) oder „Na da holickma meene Wuscht halt draußen!“. Und, tatsächlich, die Wurst- und Bierstände am und um das Stadiongelände und an den Bahnhöfen feierten in dieser Zeit, die letztlich weniger als eine Spielzeit andauern sollte, Rekordumsätze. Genauso wie die fliegenden Händler, die „Stadionterrassen“ und der „Preußische Landgasthof“.

Ganz im Gegensatz zu Hertha BSC. Die Catering-Umsätze rauschten derartig rasant in den Keller, dass der Verein die Bargeldzahlung hastig wieder zuließ. Nun ist also beides möglich, aber im Grunde wird die Kartenzahlung kaum einmal verwendet. Nur Bares ist Wahres, zumindest in Berlin.

Es darf wohl als eine der größten Errungenschaften der Berliner Fankultur angesehen werden, dass der unliebsamen Bezahlkarte erfolgreich die kalte Schulter gezeigt wurde. Da bleibt uns nicht mehr zu tun als uns dankbar zu verneigen – HA HO HE!

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