Schluss mit Clásico

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Heute abend treffen Bayern München und Borussia Dortmund am Eingang der Zielgerade der Fußball-Bundesliga aufeinander und dennoch hält sich das mediale Geschrei in Grenzen. Ermüdungserscheinungen gegenüber der eigenen Inszenierungslogik machen sich offenkundig breit. Wir erleben die Emanzipation des Spiels…

BVB - FCB

Foto: https://www.flickr.com/photos/rafaelmucha

Bayern gegen Dortmund. Seit spätestens 2010 musste man eigentlich nicht viel mehr sagen, um die Scharen vor die Fernseher und Gazetten zu locken, die neidvoll auf die Stadiongänger und deren Eintrittskarten blickten. Nur dass man eigentlich nicht viel mehr sagen musste, führte jedoch leider nicht dazu, dass das Spiel einfach nur so für sich genommen wurde. Seitdem folgten Jahre der überbordenden Inszenierung, der Konstrukton und Dekonstruktion von Geschichten und Anekdoten und ab und zu wurde auch noch gerne eine Treibjagd nach der nächstbesten Sau durchgeführt. Wir alle spielen Theater war das Motto, der Fußball geriet nahezu in Vergessenheit – wäre da nicht noch der letzte Anker der sportlichen Brisanz gewesen. Dieser ist durch die sportliche und wirtschaftliche Vereinspolitik der Bayern in den letzten Jahren nun vollends negiert worden, so dass wir seit nunmehr drei Jahren nur noch mit den ummantelnden Geschichten vorlieb nehmen mussten. Inzwischen jedoch ist alles erzählt. Die große Langeweile macht sich breit. Was nun?

Verzweifelt halten sich die gängigen Medien an dem Duell der Toptorjäger fest, um noch einen letzten Funken von Spannung rund um das Spiel aufzubauen. Lewandowski gegen Aubameyang ist das vermeintlich letzte verbliebene Mittel der Inszenierung. Aber auch diese Geschichte ist in den letzten Jahren schon allzuoft erzählt worden und zieht entsprechend nicht so richtig. Rummenigge und Watzke halten sich aufgrund eher zwiespältiger Medienarbeit in den letzten Monaten gezielt zurück und da auch kein Transfertheater um Julian Weigl, Ousmane Dembélé oder Christian Pulisic in Sicht ist – auch wenn dies Mehmet Scholl in geschickter Manier vor wenigen Wochen zu initiieren versuchte – ist da auf einmal kein Thema mehr, welches die Atmosphäre sonderlich aufladen würde.

Die Skurrilität besteht dabei aber in der Tatsache, dass das Spiel eigentlich an sich spannend ist – egal wie die Konstellation ist. An der diesmaligen medialen Müdigkeit hinsichtlich der Partie der beiden Branchenführer offenbart sich die opportunistische Haltung des Sportjournalismus. Was für Millionen von Fans ohne Zweifel ein Fixpunkt der Gestaltung des Wochenendes bedeutet, ist insbesondere für die Medien, die ansonsten jede Stecknadel zu einem Maschendrahtzaun erklären, nur ein müdes Lächeln wert. Mit kreativem Erfindungsgeist wird dann eine Geschichte gesponnen, damit die Verkaufszahlen stimmen. Hieran lässt sich vortrefflich feststellen, wie weit entrückt die Inszenierung sich vom sportlichen Alltag darstellt. Da eben nichts mehr geht, wird dann spekuliert, ob die beiden Duellanten sich gegenseitig nur als Aufwärmprogramm für die kommenden Aufgaben in der Champions-League betrachten, nur um dann von den Beteiligten die Aussagen zu vernehmen, dass dies nicht der Fall und das Spiel immer noch ein besonderes ist.

Die Vermutung liegt nahe, dass das heutige Spiel ein hochklassiges wird, bei dem der Fußball an sich im Vordergrund stehen wird. Unweigerlich werden Nahaufnahmen von Thomas Müller, Manuel Neuer und eventuell Marco Reus auf der Tribüne sowie an den Haaren herbeigezogene Statistiken der beiden Stürmerstars die Sehnsucht nach ein paar wenigen personalisierten Geschichten demonstrieren, aber höchstwahrscheinlich wird letztendlich der gespielte Ball im Fokus sein. Das direkte Duell um die Tabellenspitze gibt es zwar nicht mehr, aber auf beiden Seiten geht es um das sportliche Prinzip des Wettbewerbs. Es ist und bleibt entsprechend angerichtet – auch und gerade ohne die gängigen Problematisierungen. Der mediale Überdruss an dieser Partie im Verbund mit der sportlichen Entrücktheit der Bayern eröffnet uns den Blick auf das Wesentliche: die spielerische, athletische und mentale Qualität der beiden Mannschaften. Entgegen aller Annahmen der Belanglosigkeit steht uns ein großer Fußballabend bevor. Und sofern der BVB siegen sollte, könnten die üblichen Verdächtigen ja auch die große Bayern-Krise ausrufen.

 

Axel Diehlmann
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