Sükür, immer wieder Sükür

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Es ist einer dieser Namen, die eingefleischte und selbst langjährige Hertha-Fans, die naturgemäß schon so ziemlich alles mitgemacht haben, empfindich zusammenzucken lässt: Hakan Sükür.

Als Hertha BSC zwischen 2000 und 2006 mit einer Ausnahme (2004/05) Dauergast in den europäischen Vereinswettbewerben war, tauchte Stürmer Hakan Sükür immer wieder auf, um den Blauweißen schmerzhaft in die Suppe zu spucken.

Erstmalig tat er dies, als Hertha BSC nach 21-jähriger Europapokal-Abstinenz am 15. September 1999 zum ersten Champions-League-Spiel der Vereinsgeschichte in Istanbul antrat, beim großen Galatasaray Istanbul. Im türkischen Lager ging man natürlich davon aus, die Nobodies aus Berlin im Handstreich vom Platz zu fegen. In Berlin war die Euphorie groß, 15.000 Hertha-Fans verfolgten das Spiel live in der Waldbühne, als es den Begriff „Public Viewing“ offiziell noch gar nicht gab.

Als die Mannschaften in den Hexenkessel des Ali Sami Yen Stadions einliefen, waren die Rollen klar verteilt. Galatasaray wartete mit Weltstars wie Gheorge Hagi, Claudio Taffarel und dem klaren Liebling der Fans, Stürmerstar Hakan Sükür, auf. Dass Hertha mit Deisler, Wosz, Dardai, Tretschok, Preetz und Helmer eine durchaus schlagfertige Truppe auf die Beine brachte, wurde in Istanbul natürlich wenig bis gar nicht beachtet. Bis Hertha zweimal aufs Tor geschossen hatte. Denn da stand es dann direkt mal 0:2 aus Sicht der Türken. Preetz und Wosz hatten in einem Doppelschlag das Ali Sami Yen zum Schweigen und die Waldbühne zum Toben gebracht. Kaum hatte man sich in Berlin nach dem ersten Tor einigermaßen sortiert und die Kleider wieder zurechtgezurrt, lag sich schon wieder alles in den Armen. 2:0 in Istanbul, nach 13 Minuten – es schallte „Auswärtssieg, Auswärtssieg“ in den Berliner Nachthimmel.

So hätte es kommen können, aber natürlich war da noch Hakan Sükür, der in der 24. Minute einen langen Ball mitnahm, ihn gefühlvoll über Keeper Gabor Kiraly lupfte und dann entschlossen zum 1:2 einnetzte. Die Nobodies aus der deutschen Hauptstadt hielten in der Folge lange dem Druck der Türken stand, erst in der 86. Minute gelang den Rotgelben durch einen von Hagi verwandelten Foulelfmeter der Ausgleich. 2:2.

Der Punkt war eigentlich mehr, als sich die Herren Dardai, Deisler und Daei im Vorhinein erhofft hatten, dennoch saß der Stachel des späten Ausgleichs tief. Als sich die beiden Manschaften einen Monat später, am 26. Oktober 1999, wiedertrafen, war die Ausgangslage eine ganz andere. Hertha ging nach Siegen über den FC Chelsea (2:1) und den AC Mailand (1:0) sowie einem in Mailand errungenen Remis (1:1) als Sensations-Tabellenführer in dieses Spiel und konnte mit einem Sieg über Galatasaray den frühzeitigen Einzug in die Zwischenrunde klar machen. Die Türken standen nach dürftigen Ergebnissen unter gewaltigen Druck. Die Euphorie in der Stadt war schier grenzenlos. Zum Spiel im Berliner Olympiastadion strömten 72.000 Fans, und nach der verdienten Halbzeitführung durch einen Treffer von Kjetil Rekdal schien die Zwischenrunde bereits gebucht.

So hätte es kommen können, aber natürlich war da noch Hakan Sükür, der in der zweiten Halbzeit zweimal knipste und durch seine Treffer in der 48. und 66. Minute das Spiel drehte. Hertha rannte an und demzufolge auch ins offene Messer. Tugay in der 81. und Buruk in der 90. trafen dann zum bitteren 1:4-Endstand. Die zahlreichen türkischen Fans im Stadion feierten, während die Blauweißen gedemütigt die Segel streichen mussten.

Es hatte dennoch alles ein Happy End, am letzten Spieltag gelang den Herthanern noch der Sprung in die Zwischenrunde, als Tabellenzweiter hinter dem FC Chelsea und unter gütiger Mithilfe von Galatasaray, die zu Hause den AC Milan 3:2 schlugen und als Tabellendritter noch in den UEFA-Cup einzogen.

Rund ein Jahr später, am 21. November 2000, gastierte Inter Mailand im Olympiastadion, das sich bereits im Umbau für die Weltmeisterschaft 2006 befand. Inter Mailand war in diesem Drittrunden-Duell im UEFA-Cup klarer Favorit, hatte mit Stars wie Blanc, die Biaggio oder Recoba eine Mannschaft von internationaler Klasse. Und sie hatten aus Istanbul Hakan Sükür verpflichtet, den neuen türkischen Stürmerstar.

Das Hinspiel auf der nasskalten Baustelle dominierten die Herthaner, die eine eingespielte Einheit waren. Aus dem Vorjahresteam, mit welchem sie in der Champions-League-Zwischenrunde unglücklich am FC Barcelona und dem FC Porto gescheitert waren und in der Bundesliga die Champions League erst im letzten Spiel verpasst hatten (0:3 gegen Dortmund), waren noch alle Spieler an Bord. Inter hatte seine liebe Not in diesem umkämpften Regenfight und rettete in den 90 Minutenn ein schmeichelhaftes 0:0 über die Zeit.

Im Rückspiel am 7. Dezember 2000 verloren sich gerade einmal 12.700 Zuschauer im weiten Rund des San Siro Stadions. Niemand rechnete auf italienischer Seite damit, dass Hertha BSC hier nur den Hauch einer Chance haben würde. Und nach Recobas frühem 1:0 (6. Minute, aus Abseitsposition) schien die Angelegenheit klar zu sein. Das Spiel allerdings entwickelte sich in der Folge allderdings völlig anders. Hertha schnürte die Italiener geradezu ein, die den Vorsprung mit Glück und Cleverness in die Pause retten konnten.

In der 54. Minute aber gelang den Blauweißen der vielumjubelte und hochverdiente Ausgleich durch einen sehenswerten Strahl aus 20 Metern, den René Tretschok im linken unteren Eck versenken konnte. Mit dem 1:1 wären die Herthaner eine Runde weiter gewesen, die Italiener merkten plötzlich, dass die Berliner, die als Tabellenführer nach Italien gekommen waren, ein weitaus härterer Brocken waren, also sie angenommen hatten. Hertha hatte das Spiel in der Folge gut im Griff und ließ kaum Chancen zu. Wenige Minuten vor Schluss winkte ein großer Erfolg über eine der Top-Mannschaften Europas und das UEFA-Cup-Achtelfinale.

So hätte es kommen können, aber natürlich war da noch Hakan Sükür, der in der 88. Minute nach einer Unachtsamkeit von Kostas Konstantinidis einen langen Flankenball aufnahm und diesen schlitzohrig an Kiraly vorbei ins lange Eck spitzelte. Noch war das Spiel allerdings nicht vorbei, und noch einmal gelang es den Berlinern, Inter hinten rein zu drängen und zwei Großchancen zu kreieren. Ein weiterer Tretschok-Fernschuss strich um Zentimeter am linken Pfosten vorbei, ein verlängerter Dardai-Freistoß ging kurze Zeit später hauchdünn am rechten Pfosten vorbei.

Dann war schluss, und eines der bittersten Europapokal-Kapitel der Berliner Vereinsgeschichte war nicht mehr zu revidieren. Die Tränen Rehmers im anschließenden Interview drückten aus, was viele Hertha-Fans in diesen Momenten dachten. Der ganz große Wurf wäre in dieser Saison vielleicht wirklich möglich gewesen.

So hätte es kommen können. Aber natürlich war da noch Hakan Sükür.

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